3 unendlich lange Jahre....oder ist richtig: Wo ist die Zeit hin, es können doch nicht schon 3 Jahre her sein... Franziska, wir vermissen dich so sehr....
Papa wollte unbedingt, dass ich mir etwas ausdenke was wir an diesem Tag machen sollen....ich bin leer, ich hatte keine Idee, ich will einfach nur meine Ruhe haben....Papa war sehr sehr traurig, diese Traurigkeit war eine große Belastung für mich...
Für uns hat Zeit keine Bedeutung mehr, lang, kurz, es ist egal, je schneller die Zeit vergeht, je schneller sind wir bei dir.
Ich hätte mir ein anderes Leben gewünscht, aber was für eines? Was habe ich für ein Leben? Sicher nicht beneidenswert, aber wer hat ein beneidenswertes Leben? Kennen wir jemanden persönlich? Ich nicht. Tun wir uns nicht nur selbst leid?
Nur war das Leben für mich schon immer nicht besonders leicht und falls es Gott gibt, was hat er mir alles auf den Weg gegeben. Habe ich etwas falsch gemacht, dass es nach einer Weile Ruhe, immer wieder ein neuer Schicksalsschlag kam und jeder Neue übertraf den vorigen?
Allerdings habe ich das Gefühl, jetzt ist Ruhe, was kann es noch Schlimmeres geben, als den Verlust des Kindes? Oder was kann mir noch aufgelastet werden?
Bis jetzt habe ich jeden Einschnitt in meinem Leben nach einer Weile positiv umsetzen können, aber den Verlust meiner Tochter ist bis heute für mich unbegreiflich. Dieses Wort hat für mich eine völlig neue Bedeutung bekommen -UNBEGREIFLICH- Ich begreife, verinnerliche nicht diesen Tod. Es ist 3 Jahre her und doch denke ich, "ist es wirklich wahr?". Sicher hat das etwas mit "nicht verarbeitet" zu tun, aber ich will es nicht "verarbeiten".
Ich kann an manchen Tagen über Franziska sprechen ohne zu weinen, ja sogar lachen über lustige Situationen die wir mit ihr erlebt haben. Manchmal braucht jemand nur den Namen zu nennen und ich muss weinen.
Die Jahre werden vergehen...die Sehnsucht wird immer bleiben.
Voriges Jahr traf ich in einer Gaststätte eine alte Dame, sie muss sicher fast 90 Jahre alt sein. Jemand sagte, das ist Frau H., da fiel mir eine Situation ein, als ich ca. 5-6 Jahre alt war (mit 6 sind wir umgezogen, daher kann ich das Alter recht gut einschätzen) Ich kam nach Hause, ging die Treppe hoch und hörte jemand laut weinen, Frau H. Ich bin in ihre Wohnung, da sagte sie mir Joachim ist tot, ihr Sohn, ich glaube er war damals 19 Jahre. Ich habe sie irgendwie kindlich getröstet und war traurig, für mich als Kind ging dann das Leben normal weiter. Nur vergessen habe ich die Situation nie.
In der Gaststätte strahlte die Dame irgendetwas aus, sie hatte eine Aura, die ich nicht beschreiben kann. Wir waren mit unserer Selbsthilfegruppe in der Gaststätte, die Dame war mit einer Geburtstaggesellschaft, sie hob sich von der Masse ab.
Ich merke an mir, dass ich in vielen Situationen viel härter entscheide als früher. Obwohl ich schon immer für eine klare Linie war, aber ich bin kompromissloser geworden und habe manchmal Angst, dass ich meinen Freundeskreis total vor dem Kopf stoße. Mein Mann ist noch schlimmer, er geht einfach, mich ärgert es total, es wird aber von allen akzeptiert.
Es ist so schwierig in der Partnerschaft, gemeinsam mit dem Tod des Kindes umzugehen, meißt macht jeder es so wie er es für richtig hält und für sich braucht. Nur dabei belastet man immer den Partner mit. Der Tod unserer Tochter hat uns zusammengeschweißt und auseinandergetrieben....
So widersprüchlich wie dieser Satz ist, so widersprüchlich ist das Leben.....
Unsere Straßenkreuze
Anlässlich der 3 Jahrestages der Sternenreise unserer Tochter möchte ich noch ein paar Gedanken über unsere Straßenkreuze hier niederschreiben.
Straßenkreuze stellen viele Angehörigen von Unfallopfern auf, so auch wir.
Es ist bei uns allerdings ein ganz trauriges Kapitel, wir haben ähnliches bisher von niemandem anderen gehört.
Es fängt mit dem Unfall unserer Tochter und Christian an. Wie bei vielen Unfallstellen wurden von Freunden und Bekannten Kerzen, Blumen, kleine Plüschtiere, Briefe u. ähnliches an die Unfallstelle gebracht. Wenige Tage später war alles weg. Es wurden wieder Geschenke hingelegt, wenig später…alles weg. Wir stellten nichts mehr hin. Es war so pervers, wer nimmt so etwas mit? Wer holt sich das Unglück ins Haus? Trotz allem hat uns diese Person getroffen, es hat sehr weh getan.
Ein Jahr nach dem Unfall stellten wir zwei Holzkreuze für Sissi und Christian auf. Es wurden wieder Blumen und Geschenke hingelegt, auch das wurde gestohlen. Nichts blieb liegen, sogar ein relativ großes Blumengesteck wurde mitgenommen. KRANK! Alles was im Laufe der Jahre hingestellt wurde, war nach einer kleinen Weile weg, auch Blumen die direkt an den Kreuzen befestigt wurden.
Vor ein paar Wochen, der Hammer, die Kreuze waren zertreten. Die obere Kreuzhälfte fehlte, bei beiden Kreuzen. Wir waren wie gelähmt. WER TUT SO ETWAS????
Mein Bruder fertigte uns neue Kreuze, dieses Mal aus Metall. Mit Beton befestigten wir sie im Strassengraben.
Wenig später, ein Freund/Freundin von Sissi und Christian legte zwei Engel vor die Kreuze. Mein Mann fand sie und befestigte sie mit Metallkleber an den Kreuzen. Es sah sehr schön aus, so friedlich….bis zu dem Tag an dem auch die Engel weg waren….
Ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll. Wer ist so krank und nimmt Gegenstände von Unfallstellen mit?
Ich bin der festen Überzeugung, es handelt sich dabei die ganze Zeit um ein und dieselbe Person. Mein Bauchgefühl sagt mir auch wer es ist. Ich möchte dieser Person sagen: „Lass dir helfen, geh zum Arzt, denn ich weiß du hast noch mehr psychische Probleme, gerade bei deinem Beruf muss man stark, psychisch sehr stark sein…“
Trotz deiner Probleme möchte ich dich bitten: „Lass es sein, es kann dir doch nichts bringen, außer niedriger Befriedigung. Für die Zukunft wünsche ich dir Glück mit deiner kleinen Familie. Glücklich wirst du aber erst sein, wenn du lernst „gönnen“ zu können. Lass uns unsere Trauer… wir gönnen dir dein Glück….
Wir legen großen Wert darauf klarzustellen, dass wir nicht den Unfallfahrer meinen. Er hat es schwer genug.
Gabi und Winfred Brachmann